Pro Care: Sie sind am 1. März 2025 in die generalistische Ausbildung gestartet, am Uniklinikum Leipzig. Wie sah Ihr Leben vorher aus, wie sieht es jetzt aus?

Elias Ernst: Vorher hatte ich bessere Rahmenbedingungen. Ich hatte super Arbeitszeiten, konnte mir um neun erstmal einen Kaffee machen, war oft im Home-Office. Dafür hat mir die Arbeit inhaltlich nichts gegeben. Jetzt ist es umgekehrt: Die Rahmenbedingungen sind nicht so gut, der Inhalt aber schon! Natürlich stehe auch ich nicht gern um 5 Uhr morgens auf. Aber wenn ich nach Hause gehe, bin ich einfach zufrieden, weil ich weiß, dass ich etwas absolut Sinnvolles gemacht habe.

Pro Care: Wo haben Sie denn vorher gearbeitet?

Elias Ernst: Ich habe Wirtschaftsingenieurwesen für Energietechnik studiert. Nach meinem Abschluss war ich der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, bei den Stadtwerken Würzburg und in einem Energieunternehmen, wo ich Fotovoltaikanlagen verkauft habe. Projektmanagement habe ich auch gemacht. Nach meinem Studium war ich voll motiviert, wollte endlich ins Arbeitsleben starten. Aber in Corona saß ich dann von morgens bis abends nur am Laptop, im Home-Office, als kleine Nummer in großen Unternehmen. Da habe ich gemerkt: Das kann ich nicht. Ich muss hier raus.

Pro Care: Und wie kam es zu der Entscheidung, in die Pflege zu wechseln?

Elias Ernst: Über meinen Freundeskreis habe ich Menschen kennengelernt, die im Gesundheitswesen tätig sind. Die haben dann immer erzählt, wie schwierig die Strukturen und Bedingungen sind. Sie haben aber auch erzählt, wie schön ihre Arbeit ist. Da hätte ich stundenlang zuhören können! Einen kleinen Einblick bekam ich dann über einen Kumpel: Sein Vater betreibt einen ambulanten Pflegedienst. Und jetzt sitze ich in einer Klasse mit 24 Leuten zwischen 20 und 34 Jahren, die alle die generalistische Ausbildung machen.

Pro Care: Und wie geht’s Ihnen jetzt damit? Etwa mit dem Schichtsystem, oder auch mit dem Geld?

Elias Ernst: Als Ingenieur habe ich natürlich mehr verdient als jetzt in der Ausbildung. Ich muss mich einschränken. Aber das nehme ich gern in Kauf! In der Pflege zu arbeiten, macht für mich einfach total Sinn. Das ist ein richtiger Anker! Wovor ich größten Respekt habe, sind die Menschen, die seit 30, 40 Jahren im Schichtsystem arbeiten. Ich habe schon nach einem halben Jahr gemerkt, wie kräftezehrend das ist. Solche Rahmenbedingungen sind mit der Generation Y und Z nicht vereinbar.

Pro Care: Für Ingenieure sind manche Rahmenbedingungen ja auch deswegen besser, weil sie mit der IG Metall eine wirklich starke Gewerkschaft hinter sich haben. In der Pflege gibt es nichts Vergleichbares.

Elias Ernst: Die Gewerkschaft Ver.di setzt sich mittlerweile schon relativ viel für uns ein. An Unikliniken gibt es außerdem die Auszubildenden-Vertretungen. Aber ja, bei uns in Sachsen gibt es beispielsweise keine Pflegekammer. Und man muss auch sagen, dass der Zusammenhalt unter Ingenieur*innen ein anderer ist.

Pro Care: Wie meinen Sie das?

Elias Ernst: Man denkt immer, Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind sehr sozial, sehr empathisch. Das stimmt auch! Aber wir lassen uns im Team gegeneinander ausspielen. Immer wieder wird lamentiert über Zuständigkeiten, Verantwortungsbereiche. Das könnte man doch einfach lösen, indem man sich mal abspricht: Wer macht denn künftig was? Ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr zusammenarbeiten: Ärzt*innen, Pflegekräfte, Physiotherapeut*innen. Denn eigentlich will doch jeder, der dort arbeitet, etwas Gutes bewirken. Davon bin ich überzeugt!

Pro Care: Das sind sehr interessante Einblicke. Was fällt Ihnen noch auf?

Elias Ernst: Pflegekräfte könnten viel selbstbewusster nach Außen auftreten. In der öffentlichen Wahrnehmung herrscht ein schiefes Bild: Der Arzt ist der, der Ahnung hat, die Pflegekraft hilft ihm. Das stimmt überhaupt nicht! Eine Kollegin sagte neulich: Pflege bedeutet, die Veränderung festzustellen. Wie ist die Haut? Wie verändern sich die Bewegungsmuster, die Psyche? Wie reagiert der Mensch? Das ist hochkomplex. Dafür braucht man Wissen, Erfahrung, Beobachtungsgabe, Menschenkenntnis. Ärzt*innen können das nicht erfassen, weil sie die Patient*innen ja nur wenige Minuten am Tag sehen. Was die Pflege leistet, ist unschätzbar wertvoll: Die Arbeit der Ärzt*innen wäre ohne uns einfach nicht möglich. Und darauf dürfen wir ruhig stolz sein.

Thema Pflege & Hygiene auf der Pro Care